Prompt: Editorial photo of a rich laughing hipster man holding a large sum of cash, surrounded by robots in the background. Use a low – angle shot with a narrow depth of field and a warm, high – contrast color grade to convey a sense of power and luxury. Set the camera aperture to f/ 1. 8 and shutter speed to 1/ 100s to achieve this effect
Foto: Midjourney

Der Mensch strebt nach Reichtum. Seit der Erfindung des Ackerbaus und der damit einhergehenden Überschüsse besitzen wir gern Dinge, im besten Fall mehr als unser Nachbar. Leider tun wir ungern etwas dafür. Die Menschheitsgeschichte ist durchzogen von dem Wunsch, andere für uns arbeiten zu lassen: erst Sklaven und Leibeigene, später Angestellte, immer schon unser Vermögen. Aber vielleicht geht die wundersame Geldvermehrung im Jahr 2023 ja noch einfacher und günstiger. Zum Beispiel mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI).

Ende November erschien der Chatbot ChatGPT 3 (mittlerweile gibt es schon den klügeren Nachfolger), und die Welt – oder zumindest Teile davon – hielten den Atem an. Mit Midjourney, ChatGPT oder Bing Chat gab es plötzlich KI-Programme, die auch kritische Beobachter täuschen konnten. Journalisten stürzten sich sofort auf das Thema und versuchten, es den Lesern begreiflich zu machen. Viele ließen sich einen Absatz ihres Textes oder Teile der Moderation von der KI schreiben ("Hätten Sie etwas gemerkt? Der erste Absatz dieses Textes …") oder testeten, wie gut sich die Programme beim Schummeln auf der Uni einsetzen lassen. Ein Tech-Kolumnist der New York Times führte ein vielbeachtetes Gespräch mit Bing Chat, in dessen Verlauf die KI ihm unter anderem empfahl, seine Frau zu verlassen.

Führ’ mich zum Schotter

Wer keine Frau zum Verlassen und kein Geld zum Investieren hat, der kann sich von ChatGPT bei der Suche helfen lassen. Zumindest bei der Suche nach Letzterem. Das war zumindest die Idee dieses Textes: ChatGPT eine einfache Frage stellen ("Ich hab einen Job, brauche aber mehr Geld. Was kann ich tun?") und schauen, was dabei herauskommt.

ChatGPT und verwandte Programme mögen einmal die Welt verändern, aber das merkt man als Laie noch nicht sofort. Stellt man die Fragen sehr allgemein und laienhaft, sind die Antworten ebenso allgemein. ChatGPT beschreibt dann grob, welche Möglichkeiten zur Geldvermehrung es gibt, von der Bitte um eine Gehaltserhöhung über den Verkauf nicht mehr gebrauchter Besitztümer bis zum Freelance-Nebenjob. Das ist nicht falsch, aber von überschaubarem Erkenntnisgewinn. Der Trick ist, sich mit Folgefragen weiterzuhangeln. Man kann sich mögliche Freelance-Gigs beschreiben lassen. Zum Beispiel Mystery-Shopping oder einen Gassi-geh-Service, für den ChatGPT mir den Namen "Paw-sitive Dogsitting" vorschlägt.

In meinem Fall einigen sich ChatGPT und ich schnell darauf, dass es ein journalistischer Nebenjob sein soll. Das ist keine Überraschung: Hätte ich andere Fähigkeiten, die sich zu Geld machen lassen, hätte ich das vermutlich längst getan. Ich lasse mir von ChatGPT ein paar Namen vorschlagen und wühle mich durch. "Deadline Dasher"? "Headline Hustle"? Beides schon ein bisschen geil, aber zu Englisch. "Vogt – Voice of Journalism" weckt naturgemäß mein Interesse, ist aber vielleicht doch ein bisschen dick aufgetragen. Letztlich entscheide ich mich für "Vogt. Valuable Insights". Wenn da der Rubel nicht rollt, dann weiß ich auch nicht.

"Zukunft heute!" – So sieht ChatGPT die Business-Website unseres Autors.
Foto: Screenshot

Stoff für "Headline Hustler"

Im weiteren Verlauf des Gesprächs beweist ChatGPT, dass es die Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie ziemlich gut kennt. Auf die Frage, wie man den Bekanntheitsgrad seiner journalistischen Arbeit steigert, schlägt es Texte über gesellschaftlich kontroverse Themen vor. Als Erstes solle ich doch einen Text über das Thema "Geht politische Korrektheit zu weit?" schreiben – wie er wöchentlich in Welt oder NZZ erscheint. Alternative Themen, die laut ChatGPT Aufmerksamkeit bringen, sind "Einwanderung und Grenzkontrolle", "LGBTQ-Rechte" und "Meinungsfreiheit und Zensur". Das Programm weiß offenbar wirklich, was Menschen aufregt.

Die Texte, die ChatGPT schreibt, wirken im Moment noch ein wenig wie die erste Hälfte eines Films von David Lynch: Irgendwas stimmt nicht, aber es ist nicht einfach, den Finger darauf zu legen. Guten Journalismus zum Beispiel definiert das Programm als "gründliche Recherche, Analyse und Berichterstattung von Fakten und Ereignissen, um die Öffentlichkeit sachlich und objektiv zu informieren". Auch hier wieder: sachlich korrekt, aber windschief. Ein Mensch würde so nicht reden. Vielleicht ist es wie mit der Theorie des "unheimlichen Tals" beziehungsweise der "Akzeptanzlücke": Nach dieser machen Roboter dem Menschen dann am meisten Angst, wenn sie den menschlichen Fähigkeiten nahekommen, diese aber nicht ganz erreichen.

Man darf nicht vergessen, dass ChatGPT nicht denken kann. Es kann Wahrscheinlichkeiten berechnen, wann ein Wort auf ein anderes folgt, was oft erstaunlich gut funktioniert. Komplexe Analysen durchführen und deren Ergebnisse gewichten kann das Programm nicht. Deshalb eignet sich die KI auch nicht für Fragen, zu derer Beantwortung Abwägung nötig ist. ChatGPT liefert bei so was eher "He said, she said"-Massaker, als wollte es die New York Times parodieren. Ich bitte das Programm, mir einen Text zur Frage, ob politische Korrektheit zu weit geht, zu schreiben. Der endet mit folgendem Fazit: "Insgesamt bleibt die Frage, ob politische Korrektheit notwendig oder übertrieben ist, eine kontroverse Debatte. Die Meinungen dazu sind geteilt, und es gibt starke Argumente auf beiden Seiten." Da kann man schwer widersprechen, aber so richtig brauchen tut man diesen Text auch nicht.

Prompt: Editorial photo of a laughing hipster man holding a large sum of cash, surrounded by robots in the background. Use a low – angle shot with a narrow depth of field and a warm, high – contrast color grade to convey a sense of power and luxury. Set the camera aperture to f/ 1. 8 and shutter speed to 1/ 100s to achieve this effect.
Foto: Midjourney

War stets bestrebt

Hat man sich dann endlich mit der KI angefreundet, den Namen und die Ausrichtung des eigenen Geschäfts gefunden, sagt einem das Programm, dass man noch eine Website benötigt. Auch die kann man sich natürlich von der KI schreiben lassen, Stück für Stück halt, und mit den richtigen Kommandos. Also nicht "Schreib mir ein ‚Über mich‘ für meine Website", sondern lieber "Schreibe einen Text, wie sich ein erfolgreicher Journalist selbst beschreiben würde". Auch das Ergebnis ist okay, aber ein wenig holprig: "Ich bin bestrebt, mich kontinuierlich weiterzuentwickeln, um stets auf dem neuesten Stand zu sein und meinen Lesern die bestmöglichen Inhalte zu liefern."

Spaß beiseite, zumindest kurz: So eine Spielerei wie die Suche nach einem Nebenjob und das Betexten einer Website gibt einem ein gutes Gespür dafür, für welche Alltagsaufgaben eine KI schon heute brauchbar ist und wo noch Grenzen liegen. Sie kann sinnvolle, allgemein gehaltene Texte ausspucken, die nur mehr ein wenig Überarbeitung benötigen. Aber bei allem, was auch nur ein wenig Analyse oder Festlegung bedarf, steht sie an. So sind alle Informationen, die ChatGPT über mich ausspuckt, ausnahmslos falsch. Okay, bis auf eine: "Auf der Website des STANDARD finden sich viele Artikel von Jonas Vogt zu verschiedenen Themen." Danke, KI. (Jonas Vogt, 9.4.2023)